Z Records: Dave Lee

Wo Disco nie stirbt und House seine Wurzeln feiert

© Z Records, Dave Lee (mit freundlicher Genehmigung)

Disco – in den späten 70ern von der „Disco Sucks“-Bewegung geächtet, hat sich mit jeder Generation immer wieder neu definiert und behauptet. Die „Disco Demolition Night“ 1979 im Comiskey Park in Chicago war eine Protestreaktion auf die Übersättigung der Musiklandschaft mit seelenlosen Disco-Hits, die sich zunehmend vom einstigen Spirit entfernten und nur noch auf den Mainstream setzten. Während eines Baseballspiels kam es dabei zur symbolischen Zerstörung tausender Platten – ein Akt, der das Ende der Disco-Ära markierte. Ursprünglich geboren auf den glitzernden Tanzflächen New Yorks und Philadelphias, hat das Genre im Laufe der Zeit kulturelle Höhen und Tiefen durchlaufen – steht jedoch heute wieder an der Spitze der Dance Music-Szene. In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf ein Label, das maßgeblich zum Wiederaufstieg von Disco beigetragen hat und zeigt, wie das Genre immer wieder neu interpretiert und in die Gegenwart getragen wird.

Disco doesn’t suck anymore?!

Das Revival von Disco ist unübersehbar: In den Line-ups vieler angesagten Festivals sind längst etablierte Namen wie Jayda G mit ihrer Mischung aus Soulful House und Disco-Vibes, Folamour mit seinem uplifting French House-Touch oder Palmstrax, mit seinem modernem Italo-Sound, feste Größen. Mit ihren Sets halten sie die unerschütterliche Energie dieses Genres am Leben und bringen es immer wieder in neue Kontexte. Auch große Plattformen wie Soul in the Horn und das Nightlife-Phänomen Glitterbox zeigen, dass Disco im digitalen Zeitalter nicht nur überdauert hat, sondern eine weltweite Community verbindet. Diese anhaltende Relevanz von Disco zeigt sich nicht nur auf den Tanzflächen der Gegenwart, sondern auch in der Art und Weise, wie das Genre über die Jahre transformiert wurde. Mit dem Ende des klassischen Disco-Kapitels eröffnete sich eine Phase, die den Grundstein für kommende Entwicklungen legte.

Der kreative Wendepunkt: Die Post-Disco-Bewegung

Diese Übergangsphase markiert den Beginn der sogenannte Post-Disco-Bewegung, die sich Anfang der 1980er Jahre formierte und neue Genres wie House, Boogie und Italo Disco maßgeblich prägten. Produzent*innen begannen, sich von den klassischen Disco-Elementen wie orchestralen Arrangements und mehrstimmigen Chören zu entfernen und experimentierten stattdessen mit reduzierten, elektronischen Sounds. Diese Veränderungen prägten die Musiklandschaft maßgeblich und gaben der aufkommenden House-Szene den nötigen Raum, sich zu entwickeln. Zahlreiche Edits und Re-Works von Disco-Klassikern zeigen, wie Disco in diese neuen Formen überging, ohne dabei seinen charakteristischen Groove und seine unaufhörliche Tanzbarkeit zu verlieren. Post-Disco ist daher nicht nur eine Übergangsphase, sondern ein entscheidender Wendepunkt, in dem sich die Strukturen von Disco öffneten und Platz für die Entstehung moderner Subgenres schufen. Genau hier, in der Übergangsphase zwischen dem Ende von Disco und der aufkommenden House-Szene, fand Dave Lee seinen Platz als wichtiger Akteur, der die Essenz der Disco bewahrte und gleichzeitig den Weg für die zukünftige Entwicklung des Genres ebnete.

Z Records – Dave Lees Archivarbeit von und für den Dancefloor

Dave Lee zählt zu den prägenden Figuren der britischen Disco- und House-Szene. Seine musikalische Laufbahn beginnt in den 1980er Jahren – nicht auf den großen Bühnen, sondern in den Plattenläden Londons. Als Teenager taucht er tief in die britische Rare-Groove-Szene ein, in der Funk, Soul und Disco aus Second-Hand-Kisten zurück auf die Tanzflächen gebracht wurden. Diese frühe Auseinandersetzung mit musikalischer Vergangenheit wurde zur Grundlage seines späteren Arbeit: Lee begann als Sammler, wurde DJ und schließlich Produzent mit einem feinen Gespür für Groove, Struktur und Soundästhetik.

Schon früh arbeitete er hinter den Kulissen unabhängiger Labels, schnitt Edits, experimentierte mit ersten Remixen und entwickelte nach und nach seinen eigenen Stil. Statt sich an kurzlebigen Trends zu orientieren, setzte Lee dabei auf musikalische Kontinuität – Disco mit Haltung, Soul mit Tiefe, House mit klarem Bezug auf seine Wurzeln. Seine umfangreiche Plattensammlung wurde zum Archiv, zur Inspirationsquelle und Ausgangspunkt für seine Produktionen. 1990 gründete er schließlich das Label Z Records, um genau dieser Idee einen Ort zu geben.

Z Records verstand sich von Anfang an nicht als nostalgisches Projekt, sondern als Plattform, um klassische Sounds in moderne Kontexte zu überführen. Unter Pseudonymen wie Joey Negro, Jakatta oder The Sunburst Band veröffentlichte Lee Records, die zwischen Funk, Soul und elektronischem Clubsound balancierten. Songs wie „Do What You Feel“ (1991) oder „American Dream“ (2009) wurden zu Meilensteinen – vor allem, weil sie Disco-Samples in moderne House-Tracks einfließen ließen, ohne dabei den ursprünglichen Vibe zu verlieren.

Das Label wurde in dieser Zeit nicht nur durch Lees eigene Produktionen geprägt, sondern auch durch die Zusammenarbeit mit Künstler*innen, die den Sound des Labels entscheidend mitprägten. Namen wie Blaze, Sean McCabe oder Masters At Work stehen beispielhaft für die stilistische Bandbreite, die Z Records bis heute ausmacht – von Afro- und Latin-Einflüssen über Soulful House bis zu jazzig-funkigen Elementen. Diese Vielfalt macht das Label zu einem Spot, an dem sich musikalische Geschichte mit Gegenwart verbindet.

Dave Lee live from London (Glitterbox: We Dance As One)

Was Z Records besonders macht, ist Dave Lees unermüdliche Leidenschaft für Authentizität und Qualität. Während viele Labels durch den digitalen Wandel ihre Richtung änderten, blieb Z Records seinen analogen Wurzeln treu – als kreativer Raum, der Disco-Kultur bewahrt, reflektiert und für neue Generationen neu interpretiert. Diese Hingabe zeigt sich repräsentativ in der Under The Influence-Reihe, die vergessene Raritäten aus Funk, Soul, Disco und Jazz-Funk wieder ans Licht bringt. So vereint Vol. 9 (2021), kuratiert von DJ und Sammlerin Alena Arpels, 19 handverlesene Records aus den Jahren 1970 bis 1983 – viele davon bisher unveröffentlicht, sorgfältig restauriert und voller groovender Energie.

Auch mit der Neuauflage von „Breaking The Beats: A Personal Selection of West London Sounds“ (2022) beweist das Label, dass Disco nicht nur bewahrt, sondern auch in ihren facettenreiche Weiterentwicklungen dokumentiert wird. Die Compilation zeichnet die Entwicklung des Broken Beat-Sounds nach, der in den späten 90ern in West-London aus Einflüssen von Reggae, Electro-Funk, Jazz-Fusion und Disco entstand. Mit unregelmäßigen Rhythmen und treibenden Basslines brachte dieser Sound einen experimentellen Groove auf die Tanzflächen, der bis heute nachklingt. Ob seltene Disco-Perlen oder genreübergreifende Einflüsse – Z Records sorgt dafür, dass der Spirit dieser Musik nicht in Vergessenheit gerät, sondern immer wieder neu entdeckt wird.

Kurz gesagt: Wer Disco wirklich verstehen will, kommt an Z Records nicht vorbei. Dave Lees Label bleibt kein nostalgischer Rückblick, sondern ein lebendiger Teil der Dance-Music-Kultur. Das Label gräbt die Wurzeln von Disco und House aus und macht sie für die jüngere Generation greifbar – authentisch, aber mit einem klaren Blick nach vorne.